Verarbeitung von Daten Verstorbener: Postmortaler Datenschutz

In unserer Beratungspraxis erreichen uns immer wieder Anfragen zum Umgang mit Daten von verstorbenen Personen. Es gibt Unsicherheiten, ob und wieweit der Datenschutz Berücksichtigung findet beziehungsweise finden muss. Werfen wir einen Blick auf die Pflichten und Rechte, die sich ergeben.

Rechtliche Grundlagen

Art. 4 Nr. 1 DSGVO nutzt den Rechtsbegriff „natürliche Person“. Damit sind lebende Personen vom Anwendungsbereich der DSGVO umfasst. Und zwar ausschließlich lebende Personen. Zur Abgrenzung: Nicht umfasst sind zum einen juristische Personen, aber eben auch verstorbene Personen.

Im Erwägungsgrund 27 ist dies noch etwas deutlicher geregelt. Dort steht, dass die DSGVO nicht für die Daten Verstorbener gelten soll, gefolgt von einer Öffnungsklausel, die es den Mitgliedsstaaten ermöglichen soll eigene Regelungen zu treffen. Solche Regelungen hat der Bundesgesetzgeber nicht generell, sondern nur für einige Spezialfälle erlassen. Das bedeutet zum Beispiel, dass die persönlichen Rechte aus der DSGVO (wir erinnern uns an unsere Serie zu den Betroffenenrechten) den Erb*innen einer verstorbenen Person nicht zustehen. Hierzu gehört insbesondere das Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO. Eine Ausnahme hiervon ist die Regelung des § 35 Abs. 5 SGB I, in der festgelegt ist, unter welchen Bedingungen Sozialdaten Verstorbener verarbeitet werden dürfen. In § 2a Abs. 5 Nr. 2 AO gibt es ebenfalls eine „Nischenregelung“ für die Steuerverwaltung. Alles sind aber Ausnahmeregelungen für bestimmte Fälle und stellen keine allgemeinen Datenschutzregelungen, also eine Art „DSGVO für Verstorbene“ dar. Insbesondere für Unternehmen gilt: Die Daten Verstorbener unterliegen nicht (mehr) dem Datenschutz.

Aber: Wenn die DSGVO nicht für die personenbezogenen Daten Verstorbener gilt, dann sind insbesondere die Befugnisse der Aufsichtsbehörden in diesem Bereich nicht anwendbar, es gibt keine Verpflichtung „Pannen“ im Umgang mit Daten Verstorbener zu melden und die Bußgelder der DSGVO können nicht verhängt werden.

Daneben gilt: Erb*innen haben das Recht, in bestimmte rechtliche Positionen der Verstorbenen einzutreten, was auch das Verwalten und Schützen von Daten umfassen kann. Im zivilrechtlichen Kontext spielen die Erb*innen eine zentrale Rolle bei der Verwaltung und dem Schutz der Daten Verstorbener. Wenn eine Person stirbt, treten die Erb*inn en gemäß § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in alle rechtlichen Positionen der Verstorbenen ein. Dies bedeutet, dass die Erb*innen nicht nur Vermögenswerte und Verbindlichkeiten übernehmen, sondern auch teilweise die Rechte und Pflichten in Bezug auf personenbezogene Daten der Verstorbenen.

Berufsgeheimnisträger

Unter bestimmten Voraussetzungen können Erb*innen Einblick in die Unterlagen der Berufsgeheimnisträger*innen gemäß § 203 Strafgesetzbuch (StGB) der Verstorbenen erhalten, insbesondere wenn dies zur Durchsetzung eigener Rechte erforderlich ist. Zu den Berufsgeheimnisträger*innen gehören beispielsweise Angehörige der Heilberufe, Rechtsanwälte, Angehörige eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung. Das Einsichtsrecht ist jedoch durch die Schweigepflicht der Berufsgeheimnisträger*innen eingeschränkt und bedarf einer genauen Prüfung im Einzelfall. Beispielsweise dürfen Ärzt*innen ohne Einwilligung der Patient*innen oder ohne gesetzliche Erlaubnis keine Informationen aus dem Ärzt*innen-Patient*innen-Verhältnis weitergeben. Diese Verschwiegenheitspflicht der Berufsgeheimnisträger*innen bleibt gemäß § 203 Abs. 5 StGB auch nach dem Tod der Person grundsätzlich bestehen.

Die Schweigepflicht kann jedoch unter bestimmten Bedingungen durchbrochen werden. Ein Zugriff auf die Krankenunterlagen durch die Erb*innen kann zum Beispiel möglich sein. Gemäß § 630g BGB haben Patient*innen einen Anspruch auf Einsicht in ihre Patientenakte. Da Erb*innen in die rechtliche Stellung der Verstorbenen eintreten, könnten sie unter bestimmten Umständen ebenfalls ein Einsichtsrecht haben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Erb*innen Ansprüche geltend machen wollen, die eine Überprüfung der medizinischen Unterlagen erfordern (zum Beispiel im Zusammenhang mit Pflichtteilsansprüchen oder zur Klärung von Erbansprüchen). In solchen Fällen können sie Zugang zu den Unterlagen verlangen. Dies ist jedoch kein Automatismus und bedarf einer rechtlichen Prüfung im Einzelfall.

In der Pflegebranche haben personenbezogene Gesundheitsdaten auch nach dem Tod einer Person eine besondere Sensibilität. Diese Daten unterliegen häufig dem Sozialgeheimnis. Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser müssen sicherstellen, dass die Daten Verstorbener nicht unbefugt zugänglich gemacht werden. Eine Weitergabe ist nur zulässig, wenn sie zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen erforderlich ist oder die Angehörigen eingewilligt haben.

Besonders herausfordernd wird es, wenn Dritte (z. B. Forscher*innen) Interesse an anonymisierten Daten für wissenschaftliche Zwecke haben. Hier müssen Pflegeeinrichtungen sorgfältig prüfen, ob eine Anonymisierung tatsächlich erfolgt und ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden.

Konten sozialer Medien

Facebook bietet beispielsweise die Möglichkeit, Konten Verstorbener in den sogenannten “Gedenkzustand” zu versetzen. Dies schützt die Daten der Verstorbenen vor Veränderungen, während Angehörige und Freunde weiterhin auf die von der Person geteilten Inhalte, z. B. Fotos oder Beiträge, zugreifen können. Eine Anmeldung an dem Konto ist allerdings nicht möglich.

Darüber hinaus gibt es für die Konteninhaber*innen die Möglichkeit einen Nachlasskontakt festzulegen. Dieser Nachlasskontakt ist eine Person, die sich nach dem Tod des Kontoinhabers um das Profil kümmern kann, wenn dieses in den Gedenkzustand versetzt wird. Und es gibt auch die Möglichkeit festzulegen, wenn das Konto nach dem Tod gelöscht werden soll. Damit werden alle Nachrichten, Fotos, Beiträge, Kommentare, Reaktionen und Informationen sofort und dauerhaft von Facebook entfernt. Das Hauptprofil und alle weiteren Facebook-Profile werden ebenfalls gelöscht

Sofern die verstorbene Person allerdings zu Lebzeiten keine Vorkehrungen getroffen hat, gibt es trotzdem Möglichkeiten für die Erben den Zugriff auf das Konto zu erlangen. Diese sind nur häufig mit deutlich mehr Aufwand verbunden.

Beim Tod der Kontoinhaber*innen eines sozialen Netzwerks geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf deren Erb*innen als Rechtsnachfolger*innen der verstorbenen Person über. Dem Zugang zu dem Benutzer*innenkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht der verstorbenen Person noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2018 (Az. III ZR 183/17) bestätigt, dass Erb*innen Zugang zu den Facebook-Konten Verstorbener erhalten können. Das Gericht entschied, dass digitale Inhalte wie private Nachrichten zum Nachlass gehören und den Erb*innen zugänglich gemacht werden müssen, da die digitalen Inhalte wie private Nachrichten zum Nachlass gehören.

Kunsturhebergesetz (KunstUrhG)

Fotos, auf denen die verstorbene Person abgebildet ist, können ebenfalls schützenswerte personenbezogene Daten darstellen, besonders wenn sie in einem sensiblen Kontext aufgenommen wurden. Nach dem Tod einer Person greifen die Regelungen des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG). Dieses Gesetz bieten Schutz gegen die unbefugte Verwendung und Veröffentlichung von Fotos, auch nach dem Tod der abgebildeten Person.

Das Recht am eigenen Bild gemäß erlaubt es grundsätzlich nur mit Einwilligung der Abgebildeten, Bilder zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen. Nach dem Tod einer Person geht dieses Recht auf die Angehörigen über, die darüber entscheiden können, ob und wie Bilder des Verstorbenen genutzt werden dürfen. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen der abgebildeten Person.

Das KunstUrhG sieht auch Ausnahmen vor, bei denen eine Einwilligung nicht erforderlich ist, beispielsweise bei Bildern aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 KunstUrhG). Allerdings muss auch hier eine Abwägung mit den Interessen der Angehörigen erfolgen. Das öffentliche Interesse muss dabei schwerer wiegen als das Interesse der Angehörigen am Schutz des Persönlichkeitsrechts der verstorbenen Person.

Schutz vor Verunglimpfung

Verunglimpfung Verstorbener ist ein diffiziles Thema, das sowohl ethische als auch rechtliche Aspekte berührt. In Deutschland ist die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gemäß § 189 StGB strafbar. Es muss sichergestellt werden, dass Inhalte, die Verstorbene diffamieren könnten, nicht veröffentlicht oder verbreitet werden.

Dies gilt besonders für Medienunternehmen und Plattformen, die Nutzer*inneninhalte hosten. Es ist ratsam, klare Richtlinien zu erstellen und durchzusetzen, die solche Inhalte identifizieren und entfernen, um rechtliche Risiken zu minimieren und die Würde der Verstorbenen zu wahren.

Fazit

Zusammenfassend ist es für Unternehmen wesentlich, die zivilrechtlichen Regelungen und die Rechte der Erb*innen zu kennen und zu beachten. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Daten Verstorbener schützt nicht nur vor rechtlichen Konsequenzen, sondern trägt auch zur Wahrung der Würde und des Andenkens Verstorbener bei. Wichtig sind deshalb:

  • Klare Richtlinien und Prozesse: Unternehmen benötigen klare Richtlinien und Prozesse für den Umgang mit Anfragen von Erb*innen. Dies umfasst die Verifizierung der Erb*innenstellung sowie die Bereitstellung von Informationen.
  • Sensibler Umgang mit Daten: Ein respektvoller und sensibler Umgang mit den Daten Verstorbener ist nicht nur rechtlich geboten, sondern auch ethisch erforderlich. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Daten nicht unbefugt weitergegeben oder veröffentlicht werden.
  • Schulung der Beschäftigten: Alle Beschäftigten sollten regelmäßig geschult werden, wie sie mit Anfragen von Erb*innen umgehen und welche rechtlichen Anforderungen zu beachten sind. Dies fördert einen verantwortungsvollen und gesetzeskonformen Umgang mit deren Daten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Mindestmaß an Datenschutz auch bei Verstorbenen gelten muss, auch wenn die DSGVO keine entsprechenden Pflichten explizit begründet. Denn damit handeln die Verantwortlichen nicht nur im Interesse der verstorbenen Personen, sondern vor allem auch im eigenen Interesse, um insbesondere im Bereich des Zivilrechts oder des Strafrechts Probleme nicht lösen zu müssen, die durch zu laschen Umgang mit Daten Verstorbener entstehen könnten.

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